Maßnahmenpapier der Kreistagsfraktion zu Corona

3. Juni 2020

Liebe Genossinnen und Genossen,

Corona und seine Folgen beschäftigt nicht nur die Landes- und Bundespolitik, sondern auch unsere politische Arbeit vor Ort.

Daher haben der Kreisvorstand und die Kreistagsfraktion zusammen ein Maßnahmenpapier erarbeitet, das wir euch gerne zur Verfügung stellen möchten, siehe Anhang.

Besonderen Handlungsbedarf sehen wir zunächst bei der Stärkung von Familien mit Kindern, die von der Krise besonders betroffen sind.

Wir hoffen, uns ist der Spagat zwischen Konzentration auf unseren Wirkungsbereich der kommunalen Ebene, ohne zentrale Aspekte ganz zu vernachlässigen, gelungen.

Anregungen, Verbesserungsvorschläge und weitere Themenvorschläge für weitere inhaltliche Aufschläge sind herzlich willkommen.

Wir werden die Inhalte des Papiers nach und nach auch an die Presse im Landkreis versenden. Die erste Pressemeldung hierzu findet Ihr ebenfalls anbei.

Herzliche Grüße und bleibt gesund!

Euer

Michael Beck & Michael Medla

Familien und Kinder stärken – Folgen der Corona-Pandemie gemeinsam bewältigen

Die Corona-Pandemie und ihre Bewältigung stellt unsere Gesellschaft vor Herausforderungen in bisher nicht vorstellbarem Ausmaß. Der Schutz der Gesundheit steht dabei an erster Stelle. Durch das schnelle und entschiedene Handeln von Politik, Verwaltung aber auch dem Verhalten der Bevölkerung ist es vorerst gelungen, die Ausbreitung des Corona Erregers abzubremsen.
Beim Lockdown musste schnell gehandelt werden, dabei waren nicht alle Auswirkungen vorher genau absehbar. Bei den nun schrittweise erfolgenden Lockerungen der Einschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens muss darauf geachtet werden, welche Gruppen von den negativen Auswirkungen besonders hart getroffen wurden und daher besondere Hilfe und Unterstützung benötigen.
Die SPD im Landkreis Esslingen sieht besonderen Handlungsbedarf für Familien mit Kindern und bei der Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes.
Kinder und Familien entlasten
Besonders Kinder und ihre Eltern sind von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie stark betroffen. Kitas und Schulen wurden geschlossen, gleichzeitig müssen viele Eltern im Homeoffice von Zuhause arbeiten oder sind in Kurzarbeit. Familien müssen nun Betreuung, Bildung und Beruf zu Hause vereinbaren. Als SPD im Land-kreis Esslingen setzen wir uns für eine langfristige Planbarkeit und rasche Wiederherstellung der Bildungsangebote für alle Kinder ein. Eine weitere Herausforderung stellt das Homeschooling dar. In vielen Fällen sind die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben. Dies führt häufig zu einer Überlastung der Eltern und wirkt sich in manchen Familien besonders negativ auf die Zukunftschancen der Kinder aus. Gerade hier besteht ein besonderer Handlungsbedarf. Zudem sollten Freizeit- und Ferienangebote für Kinder im Sommer sowie die Präventionsmaßnahmen gegen häusliche Gewalt noch stärker in den Mittelpunkt rücken.
Wiedereröffnung der Kitas und Schulen
Die angekündigte Öffnung von Kitas und Schulen ist der richtige Weg. Eltern wie Einrichtungen brauchen allerdings zeitnah verlässliche Informationen wann und unter welchen Rahmenbedingungen ihre Kinder wieder in die Kita und Schule gehen können. Gerade an der verlässlichen Planung und rechtzeitigen Information haperte es bisher in der Kommunikation des Kultusministeriums. Bisherige Rechtsverordnungen zu Schulen und Kita wurden viel zu kurzfristig veröffentlicht und den Kommunen und Trägern zu spät bekannt gegeben. Statt jeden einzelnen Öffnungsschritt ad hoc in der Presse ohne vorherige Information der Kommunen und Träger anzukündigen muss das Kultusministerium Szenarien für den Kita- und Schulbetrieb bei verschiedenen Infektionsverläufen erarbeiten, an denen sich die Eltern orientieren können. Kitas und Schulen müssen wieder öffnen. Dies gilt unserer Auffassung letztlich auch dann, wenn das Abstandsgebot nicht immer strikt eingehalten werden kann. Auf Basis der veröffentlichten Zwischenergebnisse der landesweiten Corona-Studie der Unikliniken Heidelberg, Freiburg und Tübingen ist dies auch vertretbar. Eine weitergehende Unterbindung und Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten kann damit durch andere organisatorische Maßnahmen weitgehend sichergestellt werden.
Digitalisierung und Homeschooling
Die Digitalisierung ist eine zwingende Voraussetzung damit Homeschooling gelingen kann. Bisher lagen wir aber bei der Digitalisierung – insbesondere unserer Schulen – zurück und waren kaum vorbereitet auf die nun von heute auf morgen erzwungene Umstellung auf Homeschooling. Die Einführung einer digitalen Bildungsplattform von Seite des Landes ist bisher gescheitert. Die vorhandenen Programme und Maßnahmen gleichen einem Flickenteppich und lassen kaum eine Strategie erkennen. Wir müssen die Digitalisierung der Schulen in unserem Landkreis beschleunigen und dafür sorgen, dass für alle Schülerinnen die Voraussetzungen für ein gelingendes Homeschooling tatsächlich gegeben sind. Zudem fehlen häufig digitale Kompetenzen, um eine echte Teilhabe und Chancengleichheit zu gewährleisten. Kein Kind darf wegen des Fernun-terrichts zurückgelassen werden. Unser sozialdemokratisches Ziel ist die digitale Lernmittelfreiheit und digitale Chancengleichheit. Daher schlagen wir vor:  Eine Digitalisierungsagentur des Landkreises zu gründen, damit nicht jede Kom-mune oder Schule eigene Konzepte und Strategien entwickeln muss. Dadurch wollen wir eine beschleunigte Digitalisierung der Schulen in unserem Landkreis unterstützen. Aufgabe der Digitalisierungsagentur ist insbesondere die Beratung und Unterstützung der Schulträger bei der Schaffung der technischen Voraussetzungen für das Homeschooling beispielsweise einer professionellen Netzwerkadministration und bei der Entwicklung und Erprobung von pädagogischen Konzepten für ein gelingendes digitales Lernen. Die vom Bund im Rahmen des Digitalpakts üppig fließenden Mittel zur Digitalisierung der Schulen sollen damit rechtzeitig und zielgerichtet abgerufen werden können. Zugleich soll durch diese Maßnahme erreicht werden, dass nicht jede Kommune eigene Digitalisierungsmanagerinnen einstellen oder sich Expertenwissen teuer über Beratungen einkaufen muss.


 Der Landkreis Firmen aufruft nicht mehr benötigte Laptops und Tabletts Schülerinnen ohne eigenen Computer zur Verfügung zu stellen. Der Landkreis die Anschaffung von Laptops und Tablets für Schülerinnen ohne eigenen Computer an Schulen in seiner Trägerschaft/an den Berufsschulen durch Eigenmittel oder sonstige Zuschüsse unterstützt.


 Den kostenfreien Zugang zum Internet vorrangig Schülerinnen ohne ausreichenden heimischen Internetzugang an Schulen, Jugendhäusern, Bibliotheken etc. zu ermöglichen.

 Niederschwellige Angebote zur Vermittlung digitaler Kompetenzen anzubieten.

 Für die Sommerferienangebote regt die SPD im Landkreis Esslingen an, vor Ort zwischen Schulträgern, Schulen und außerschulischen Bildungs- und Jugendhilfeträgern (VHS, Kinder- und Jugendarbeit, usw.) die Einrichtung von Fortbil-dungsprogrammen für die Sommerzeit zu prüfen, um Schülerinnen einen besseren Start im neuen Schuljahr zu ermöglichen. Bestehende Summerschools sollen hierzu unterstützt und ausgebaut werden.


 Die Krise zeigt einmal mehr, welche große Belastung die Kita-Gebühren für Eltern darstellen. Als SPD setzen wir uns für eine staatliche Finanzierung der Bildung von der Kita bis zum Hochschulabschluss bzw. dem Meisterabschluss ein. Bildung darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein, deswegen sind die Gebühren abzuschaffen. Für die Zeit der Pandemie muss aber wenigstens gelten, dass so-lange die Kitas nur eingeschränkt in Betrieb sind, selbstverständlich den Eltern die Beiträge (anteilig) erlassen werden. Die vom Land dafür bereitgestellten Mittel sind ausschließlich dafür zu verwenden.
Förderung kultureller Angebote und Freizeitmöglichkeiten für Familien
Kinder sind durch die Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie besonders stark betroffen und belastet. Wir haben großen Respekt, wie Kinder und junge Menschen bisher diese für sie besonders schwierige Lage meistern. Viele Familien werden im Sommer nur eingeschränkt Urlaub machen können, da die Eltern ihren Urlaubsanspruch schon verbraucht haben, es wegen Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust am Geld fehlt oder Reisen ins Ausland nicht möglich sind.
Für ihre Entwicklung brauchen junge Menschen aber Erfahrungs- und Freiräume auch außerhalb des formalen Bildungssystems. Diese sind durch die momentanen Einschränkungen nicht ausreichend vorhanden.
Noch ist nicht absehbar welche Angebote diesen Sommer erlaubt sind. Während Biergärten geöffnet sind und Bundesligaspiele stattfinden, hängen gerade die Freizeitangebote von Kindern und Jugendlichen weiter in der Luft. Trendsportflächen und Jugendhäuser bleiben geschlossen, Gruppenstunden im Alltag dürfen weiterhin nicht persönlich stattfinden. Die Reaktion des Landes hier bis Anfang Juni ein Konzept zu erarbeiten, wird den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen nicht gerecht.
Zudem gehen wir davon aus, dass im Sommer ein höherer Bedarf an Angeboten der Ferienbetreuung und zur Freizeitgestaltung mit Kindern daheim bestehen wird. Viele Eltern haben schon jetzt einen Großteil des Jahresurlaubs nehmen müssen. Die langen Sommerferien, die aus Rücksicht auf die Lehrer*innen trotz Fort- und Nachbildungsangebote, bestand haben sollten, fordern die Familien nun aber besonders heraus.
Statt Abwrackprämien für Autos braucht es viel mehr eine Kulturprämie für Familien mit Kindern. Kultur- und Freizeitangebote für Familien, wenn sie denn stattfinden können, müssen besser unterstützt werden. Als positiver Nebeneffekt tragen diese Maß-nahmen auch zur Stärkung des lokalen Tourismus bei. Daher schlagen wir vor:


 Zur Wertschätzung der Leistungen von Familien und Kindern im der Pandemie soll der Landkreis im Freilichtmuseum Beuren zusätzlich zu den bisherigen Ermäßigungen eine „Kulturprämie“ (Rabattgutschein für einmaligen Eintritt mit zusätzlichem Sonderpreis gegenüber bestehender Ermäßigung) anbieten. Außerdem soll er sich bei von ihm unterstützten Einrichtungen ebenfalls für eine solche Kulturprämie einsetzen (Bsp. Im Naturschutzzentrum Schopfloch).


 Die Städte und Gemeinden im Landkreis rufen wir ebenfalls dazu auf, ihre Einrichtungen und Angebote für Familien besonders zu bewerben und weitere Familienrabatte zu gewähren.


 Sporthallen in Trägerschaft des Landkreises müssen so bald als möglich für den Vereinssport geöffnet werden und sollen für Vereine und freie Träger der Jugendhilfe auch in den Ferien für Angebote für Kinder und Jugendliche zur Verfügung stehen. Bei Bedarf sollen die Kommunen ihre Sporthallen ebenfalls in den Ferien für Angebote für Kinder und Jugendliche öffnen.


 Bestehende Ferienfreizeiten und Stadtranderholungen der freien Träger sollen in ihrer Durchführung unterstützt werden. Dabei sind ggf. auch kommunale Räumlichkeiten für alternative Formate zur Verfügung zu stellen. Mehrkosten, die den freien Trägern in der erschwerten Durchführung von Stadtranderholungen und Ferienfreizeiten entstehen, sollen durch den Landkreis und seine Kommunen unterstützt werden.
Vor familiärer Gewalt schützen.
Die mit dem Ausbruch von Corona verbundenen Einschränkungen im gesellschaftlichen Leben können sich zur Gewaltfalle für Frauen und Kinder entwickeln. Die ohnehin zu geringen Kapazitäten der Frauenhäuser im Landkreis Esslingen sind durch die einzuhaltenden Maßnahmen des Hygieneschutzes zusätzlich verknappt worden. Es muss alles dafür getan werden, den Betrieb und die Funktionsfähigkeit des Hilfesystems aufrecht zu erhalten. Daher schlagen wir vor:


 Der Landkreis soll die Frauenhäuser bei der Anmietung von zusätzlichen Ausweichräumlichkeiten unterstützen, um entsprechend dem Bedarf Plätze zur Verfügung stellen zu können. Dazu soll der Landkreis für den Zeitraum der Corona-Pandemie die Kosten der Anmietung falls notwendig vorfinanzieren.


 Über die akuten Herausforderungen der Pandemie und ihrer unmittelbaren Folgen hinaus, soll der Landkreis auch die langfristige Versorgung mit Wohnräumlichkeiten der Frauenhäuser des Landkreises sicherstellen. Dazu soll der Land-kreis die Frauenhäuser bei der Suche nach zusätzlichen Mietwohnungen durch eine Öffentlichkeitskampagne gemeinsam mit den Frauenhäusern unterstützen. Die Verwaltung bezieht dabei auch die Städte und Gemeinden des Landkreises ein.
 Der Landkreis soll die Liquidität der Frauenhäuser und Schutzangebote sicher-stellen. Der Wegfall von Spendeneinnahmen durch die Corona-Krise soll beispielsweise durch unbürokratische Hilfe, die bisher zur Sicherstellung des Geschäftsbetriebes verwendet wurden, aufgefangen werden.
Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken.
Um die vorstehenden Lockerungen verantwortungsvoll und mit Augenmaß gestalten zu können und eine Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen, nimmt der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) eine Schlüsselrolle ein. Ein erneuter Rückfall und eine zweite Welle müssen verhindert werden. Darum muss der ÖGD in die Lage versetzt werden, die Infektionsketten vollständig und unmittelbar nachzuvollziehen, sowie reagieren zu können. Darum müssen die Gesundheitsämter vor Ort gestärkt werden.
Eine solche Stärkung des ÖGD ist lange überfällig. Zwar sind wir von der Pandemie überrascht worden. Allerdings müssen wir feststellen, dass der ÖGD in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg vernachlässigt wurde. Zum Stichtag 1. September 2019 waren 15% der Stellen nicht besetzt (61,1 von 406,5 Stellen).
Auch wenn sich aktuell das Infektionsgeschehen abgeschwächt hat, ist die Pandemie nach aktueller Einschätzung wohl erst dann vorbei, wenn ein Impfstoff auf den Markt gebracht werden kann. Wann dies der Fall sein wird, kann niemand sagen. Es ist damit zu rechnen, dass die wünschenswerten Lockerungen der Kontaktbeschränkungen eine Zunahme der Infektionen zur Folge haben werden. Um einer sogenannten zweiten oder auch dritten Welle besser begegnen zu können, müssen die Gesundheitsämter vor Ort gestärkt werden. Auch im Landkreis Esslingen muss der ÖGD mit Priorität bedarfsgerecht ausgebaut werden.
Die vom Bund bereitgestellten 50 Millionen Euro sind dafür nicht ausreichend und im Wesentlichen für eine Verbesserung der technischen und digitalen Ausstattung der Gesundheitsämter vorgesehen. Diese kann allerdings nur dann wirken, wenn gleichzeitig Anstrengungen unternommen werden, den ÖGD dauerhaft personell zu stärken. Um die zahlreichen offenen Stellen landesweit im ÖGD tatsächlich mit qualifiziertem Personal besetzten und dafür auch im Landkreis Sorge tragen zu können, muss das Personal besser bezahlt werden. Dazu muss die Tarifstruktur geändert und die Stellen besser bewertet werden. Wir fordern den Landkreis daher auf sich für eine bessere Bezahlung der Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern und für die Finanzierung weiterer Stellen im ÖGD einzusetzen.


03 Juni 2020 SPD im Kreis Esslingen Vorsitzender SPD Kreisverband Michael Beck
Vorsitzender SPD Kreistagsfraktion Michael Medla