G8 oder G9, Kleiner Landesparteitags am 06.07.2019 in Pforzheim

9. Juli 2019

BildungsMUT – Zukunft braucht Ideen, Fortschritt unseren Mut

Eine starke Demokratie braucht gute Bildung. Alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer Herkunft, durchlaufen unser Bildungssystem – das ist eine wertvolle Chance. Die junge Generation kann in Kitas, Schulen und Hochschulen gemeinsam aushandeln und ausprobieren, wie wir als Gesellschaft zusammenleben wollen.

Das Leitmotiv „BildungsMUT“ ist die Aufforderung, unsere Bildungseinrichtungen zu modernen Lernorten und Zukunftswerkstätten unserer Demokratie weiterzuentwickeln. Die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sollen dort frei denken und mitgestalten können. Wir brauchen die jungen Querdenker*innen und ihre innovativen Gedanken, um gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen begegnen zu können. Den Heranwachsenden sollten wir deshalb eine aktivere Rolle in unserer Demokratie anvertrauen. Zukunft braucht ihre Ideen, Fortschritt unseren Mut.

Es sind zahlreiche Stellschrauben, an denen wir in Baden-Württemberg drehen müssen, um unser Bildungssystem zukunftsfähig zu machen. Wir nehmen in diesem Leitantrag bewusst die gesamte Bildungsbiographie in den Blick und fordern qualitätsvolle und gebührenfreie Angebote in allen Bildungseinrichtungen. Kern der Sozialdemokratie ist ebenso die Forderung nach fairen Arbeitsbedingungen – gute Bildung steht und fällt mit kompetenten und motivierten Fachkräften. Einen besonderen Fokus legen wir gleichwohl auf zwei Punkte: frühkindliche Bildung und Bildung in der digitalen Welt.

Es ist unser erklärtes Ziel, allen Kindern die bestmöglichen Startchancen zu geben. Die Prämisse „auf den Anfang kommt es an“ nehmen wir ernst und dazu gehört es, unsere Kitas als Bildungsinstitutionen zu verstehen und besser auszustatten. BadenWürttemberg braucht die gebührenfreie Kita und klare Qualitätsstandards. Möglich wird das mit einer Fachkräfteoffensive im Bereich der beruflichen und akademischen Ausbildung sowie attraktiveren Entwicklungsperspektiven am Arbeitsplatz Kita für alle Beschäftigten. Mit starken Leitungen, Anreizen für erfahrene Fachkräfte und mehr Unterstützung durch Hochschulabsolvent*innen stellen wir sicher, dass es jedes Kind packt.

Unsere Bildungseinrichtungen müssen den digitalen Wandel endlich mitgestalten statt ihm hinterherzuhinken. Dazu braucht es eine zeitgemäße digitale Ausstattung inklusive einer Bildungscloud und gute pädagogische Konzepte – wir wollen beides parallel vorantreiben. Wichtig ist dabei Raum zum Ausprobieren und Austauschen vorzuhalten. Es muss mithilfe eines Innovationsfonds einfacher werden, neue Ideen und digitale Projekte in den Schulen umzusetzen. Lehrkräfte brauchen vor Ort zudem feste Strukturen für den kollegialen Austausch und einen direkten Draht zu Expert*innen. Mit zentralen Fortbildungsangeboten allein sind so dynamische Bereiche wie die digitale Bildung, Medienbildung oder Daten- und Verbraucherschutz nicht ausreichend zu gestalten.

Baden-Württemberg steht für Vielfalt. Wir sind das Flächenland mit dem bundesweit größten Anteil von jungen Menschen mit Migrationshintergrund und müssen das Potential dieser Heterogenität in den Gruppenräumen, Klassenzimmern, Ausbildungsstätten und Hörsälen voll ausschöpfen.

  1. Gute Bildung muss gebührenfrei sein

Kita: Mit der Abschaffung von Gebühren in der Kita und Kindertagespflege für eine Grundbetreuung im Umfang von 35 Stunden für alle Kinder von der Geburt bis zur Einschulung wollen wir Familien effektiv entlasten. Gebühren stellen eine Zugangshürde für Kinder zu frühkindlichen Bildungsangeboten dar und erschweren den Weg der Eltern – meistens den der Mütter – zurück in den Beruf. Erlassen die KitaTräger und Kindertagespflegepersonen die Gebühren, sollen sie einen entsprechenden Ausgleich vom Land erhalten. Damit hängt es nicht länger vom Wohnort ab, wie viel die Kinderbetreuung eine Familie kostet.

Studium: Studiengebühren müssen abgeschafft und Verwaltungskostenbeiträge gedeckelt werden. Insbesondere die Studiengebühren für internationale Studierende und für ein Zweitstudium lehnen wir ab. Im Rahmen eines Dualen Studiums setzen wir uns dafür ein, dass Rückzahlungsklauseln in Form von Nebenabreden der Dualen Hochschule Baden-Württemberg verboten werden. Freiwillig von der Ausbildungsstätte getätigte Leistungen, wie beispielsweise Fahrtkostenerstattungen oder Büchergeld, dürfen im Falle des Abbruchs oder Nichtbestehens des Studiums nicht zur finanziellen Bedrohung für Studierende werden.

Beim BAföG fordern wir eine weitreichendere Reform als die jetzt angenommene. Die bisherige starre Kopplung des BAföGs an die Regelstudienzeit lehnen wir ab. Die Höhe
der Leistung soll in Zukunft stärker die realen Vermögensverhältnisse der Eltern mit einbeziehen. Außerdem fordern wir die Abschaffung der Altersgrenze und die Ermöglichung des Wechsels von Studiengängen. Damit der BAföG-Satz immer an die aktuellen Verhältnisse angepasst ist, sollte eine unabhängige BAföG-Kommission mit Entscheidungsbefugnissen eingesetzt werden.

Ausbildung: Um die duale Ausbildung attraktiver zu machen und Ausbildungsabbrüche zu verhindern, fordern wir eine Mindestausbildungsvergütung. Analog zu den Forderungen des DGB sollte diese bei 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung des jeweiligen Ausbildungsjahres liegen. Dies würde für das erste Ausbildungsjahr eine Mindestvergütung von ca. 635 Euro, für das zweite von ca. 696 Euro, für das dritte von 768 Euro und für das vierte von 796 Euro bedeuten (Stand 2017). Das Schulgeld an den privaten Ausbildungsstätten, zu denen es in der Praxis keine staatliche kostenfreie Alternative gibt, soll weiter reduziert und wenn möglich ganz abgeschafft werden. Zusätzliche staatliche Ausbildungsstätten für Gesundheits- und Pflegeberufe sind notwendig. Für dual Studierende wird eine Mindestvergütung eingeführt. Die Tarifverträge der Tarifvertragsparteien gelten auch für sie.

Meister-Ausbildung: Die teils hohen Gebühren für die Meisterausbildung wollen wir mit Hilfe von Landesmitteln im Dialog mit den Betrieben und ihren Verbänden und Innungen absenken und sobald wie möglich abschaffen. Darüber hinaus sollen die Förderkonditionen des Meister-BAföG weiter verbessert und hierzu ein Meister-Bonus in Höhe von mindestens 1500 Euro nach dem erfolgreichen Abschluss eingeführt werden.

ÖPNV-Tickets: Allen Schüler*innen sollen günstige Tickets für den öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung stehen. Es ist unser Ziel die Beförderungskosten weiter zu reduzieren, insbesondere wenn sich im Rahmen der regionalen Schulentwicklung Schulwege verlängern. Um ein attraktives Angebot zu schaffen bedarf es zweierlei: Zum einen einen deutlich höheren Zuschuss zum landesweitern Semesterticket, zum anderen auch einer deutlich verbesserten Infrastruktur.

Lernmittel: Im Sinne einer Entlastung der Familien stehen wir weiterhin für die Lernmittelfreiheit in der Schule ein, für die wir zu Regierungszeiten klare Regelungen geschaffen haben. Die Erhebung von sogenanntem Büchergeld ist demnach nicht zulässig. Im Rahmen der Lehrmittelfreiheit sollen außerdem notwendige SoftwareLizenzen und wenn notwendig auch Hardware bereitgestellt werden.

  1. Mehr Zeit für Entwicklung und individuelle Förderung Kitas: Erfolgreiche Bildung beginnt bereits im Kleinkindalter. Alle Einrichtungen brauchen, unabhängig vom Träger, verbindliche Qualitätsstandards und ein Qualitätsmanagement-system. Wir streben daher einen verbindlichen Orientierungsplan an und den Ausbau der individuellen Förderangebote, insbesondere im Bereich der Sprachförderung. Die Umsetzung des Orientierungsplanes ist aus Landesmitteln zu finanzieren, damit Qualität keine Frage der Finanzausstattung der Kommunen ist. Wie die Angebote der Kita mit denen der Grundschule verknüpft und Förderpläne nach der Einschulung weitergeführt werden können, soll parteiübergreifend mit Expert*innen in einer Enquête Kommission zur frühkindlichen Bildung und Grundschule erarbeitet werden.

Einschulung: Der Stichtag zur Einschulung soll vom 30. September auf den 30. Juni vorverlegt werden, um den Kindern bei Bedarf mehr Zeit für die Schulreife einzuräumen. Ob Kinder, die im Korridor zwischen Juli und September sechs Jahre alt werden, eingeschult werden oder noch ein Jahr länger in der Kita bleiben sollen, können die Eltern frei entscheiden. Forderungen nach der Wiedereinführung der verpflichtenden Grundschulempfehlung lehnen wir entschieden ab.

Grundschule: Die vielfältige Zusammensetzung der Schülerschaft an Grundschulen verlangt nach verbindlichen Stunden zur individuellen Förderung und zusätzlichen Poolstunden, um die Kinder gezielt fördern zu können. Insbesondere die Angebote zur Sprach- und Leseförderung wollen wir besser in den Schulalltag integrieren. So ist diese für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, aber auch für Muttersprachler*innen besser zugänglich. Den Grundsatz „kurze Beine, kurze Wege“ verteidigen wir weiterhin, um ein wohnortnahes Bildungsangebot auch im ländlichen Raum zu gewährleisten. In einer Evaluation der neu strukturierten Studiengänge für das Lehramt Grundschule muss geprüft werden, inwiefern eine Ausweitung der Studienzeit auf zehn Semester fachlich sinnvoll und in Folge dessen dann auch eine Einstufung in A13/E13 möglich ist.

Ganztagsschule: Die rhythmisierte Ganztagsschule kann die Lernmotivation und Leistung von Schüler*innen positiv beeinflussen und einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit leisten. Im Gegensatz zu reinen Betreuungsangeboten wollen wir sie von ausgebildeten Lehrkräften und mit pädagogischem Konzept umsetzen. Dadurch wird es möglich, über den Tag hinweg zwischen Phasen der Konzentration und Entspannung abzuwechseln. Vereine und schulfremde Organisationen sollen auch weiterhin in Kooperation mit den Schulen ergänzende Angebote an den Schulen machen, wie beispielsweise Sportangebote, Instrumentalunterricht oder Ähnliches. Wir
wollen die Ganztagsschule daher flächendeckend ausbauen, nicht nur in den Grundschulen, sondern auch in den Klassenstufen fünf bis sieben.

Inklusion: Inklusion heißt alle Schülerinnen in den Blick zu nehmen und damit auch, aber eben nicht nur, diejenigen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Wir möchten alle Schularten darin unterstützen, diesen Grundsatz in der Praxis umzusetzen. Eltern von Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf müssen eine echte Wahlfreiheit haben. Wir wollen dafür sorgen, dass die Angebote an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren und an allgemeinbildenden Schulen gleichermaßen hochwertig und mit ausreichend Ressourcen ausgestattet sind. Daher muss es Zielsetzung bleiben, das Zwei-Pädagogen-Prinzip flächendeckend umzusetzen und auf dem Weg dorthin auch die Ausbezahlung des Geldwertes (Monetarisierung) von nicht besetzten Stellen zu ermöglichen.

Weiterführende Schulen der Sekundarstufe I und II: Egal für welche weiterführende Schule sich die Schüler*innen nach der Grundschule entscheiden, muss ihnen dort ein hochwertiges Bildungsangebot und die Möglichkeit zur individuellen Förderung eröffnet werden. An den integrierten Schulformen kann die früher gängige Praxis der Segregation und Abschulung endlich überwunden werden. Unser Ziel bleibt daher ein Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium und integrierten Schulformen. Im Umgang mit ihrer heterogenen Schülerschaft wollen wir die weiterführenden Schulen gezielt unterstützen und besser ausstatten.

Mit Blick auf die Gemeinschaftsschule bedeutet dies, den Ausbau der gymnasialen Oberstufe fortzuführen, so dass leistungsstarke Schülerinnen dort in neun Jahren zum Abitur gelangen können. Wir wollen die Kriterien für die Genehmigung einer gymnasialen Oberstufe an der Gemeinschaftsschule überarbeiten, mit dem Ziel eines flächendeckenden Angebots einer Sekundarstufe II an der Gemeinschaftsschule (G9). Die Rahmenbedingungen an den Realschulen wollen wir so gestalten, dass die Schülerinnen bestmöglich gefördert werden und auch leistungsschwächere erfolgreich sein können. Grundvoraussetzung dafür ist, dass auch in der Orientierungsstufe in den Klassen fünf und sechs wieder auf G-Niveau unterrichtet und geprüft werden darf.

Gymnasium: Individuelles Lernen braucht Zeit. Uns geht es bei der Ausbildung unserer Kinder nicht um Schnelligkeit und Angepasstheit, sondern um die Entwicklung von kreativen, kritischen denkenden und gut ausgebildeten jungen Menschen. Auch deshalb kehren viele Bundesländer wieder zu G9 zurück und an den G9-Modellschulen des Landes entscheiden sich 92 Prozent der Schülerinnen für das Abitur nach neun Jahren. Wir respektieren diesen Wunsch der Schülerinnen und ihrer Eltern und setzen uns daher für eine Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 für alle allgemeinbildenden Gymnasien in Baden-Württemberg ein. Hierbei sollen die Schulen vor Ort in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Schulträgern und Eltern entscheiden können, welche Bildungsgänge sie anbieten möchten. So besteht eine echte Wahlmöglichkeit auf dem Weg zum Abitur hinsichtlich des pädagogischen Konzepts und des individuellen Lerntempos, egal ob an Gemeinschaftsschulen, beruflichen Schulen oder Gymnasien.

Berufliche Schulen: Die berufliche Bildung muss für junge Menschen wieder attraktiver und der akademischen gleichgestellt werden. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Berufsorientierung, im Rahmen derer die Vorteile der dualen Ausbildung klar an die Schülerinnen kommuniziert werden sollten. Wir fordern einen zweiten vollständigen Berufsschultag. Weil die Schülerinnen aus unterschiedlichen Schularten in das berufliche Gymnasium kommen, wollen wir die Eingangsklassen mit zwei Poolstunden zur bedarfsgerechten Förderung ausstatten.

Damit Schülerinnen Demokratie zu schätzen lernen, müssen sie sie auch selbst erleben. Daher setzen wir uns für die weitere Stärkung der SMV ein. Die von uns eingeführte Drittelparität in der Schulkonferenz war hierfür ein wichtiger Schritt. Diesen Weg wollen wir konsequent weitergehen und das Mitbestimmungsrecht der Schülerinnen weiter ausbauen. Wir setzen uns dafür ein, dass Schülervertreter*innen analog zu den Verfassten Studierendenschaften ein politisches Mandat erhalten. Innerhalb der Schule wollen wir demokratische Entscheidungen fördern und die SMV in den schulischen Gremien stärken.

Bildungsangebote für Migrant*innen und Geflüchtete: Um eine wirkliche Integration in unsere Gesellschaft möglich zu machen, kommt den Klassen für Menschen ohne Deutschkenntnisse eine ganz besondere Rolle zu. Nur wenn die Menschen unsere Sprache sprechen, wichtige Grundkenntnisse in der Mathematik haben sowie grundlegende Kenntnisse unseres Gemeinwesens, können sie hier eine Ausbildung machen oder am Arbeitsmarkt teilnehmen. Daher ist es dringend geboten, die VABOKlassen mit mehr Stunden auszustatten sowie Berufsbildungseingangsklassen zu entwickeln, die bereits während des Spracherwerbs eine theoriereduzierte Ausbildung ermöglichen, insbesondere in sogenannten Mangelberufen.

Hochschulen: Um die Studierenden effektiv unterstützen zu können, setzen wir uns für eine bessere Betreuungsrelation zu den Lehrenden ein. Insbesondere an Hochschulen für angewandte Wissenschaften wollen wir das Lehrdeputat reduzieren.
Doktorand*innen sollen so in den Lehrbetrieb eingebunden sein, dass neben der unterstützenden Lehrtätigkeit (u.a. Praktikumsbetreuung, Klausurvorbereitung, und Korrektur) ausreichend Zeit für die eigene Doktorarbeit bleibt. „Dauerstellen für Daueraufgaben“ sollte die Regel an unseren Hochschulen sein, um die Unsitte der befristeten Arbeitsverträge deutlich einzuschränken. Mithilfe von CampusManagementsystemen sowie einer gezielten Digitalisierung der Hochschullehre sollen gute Lernbedingungen für Studierende geschaffen werden.

  1. Starke Teams für gute Bildungsarbeit

Kita-Fachkräfte: Zur Qualitätsentwicklung in den Kitas und der Kindertagespflege sowie dem Ausbau der Betreuungskapazitäten braucht es mehr pädagogische Fachkräfte. Dafür müssen die Ausbildungskapazitäten aufgestockt werden, insbesondere für die praxisintegrierte Ausbildung (PiA), jedoch auch die Studienplätze für Kindheitspädagogik. Wir sprechen uns gegen eine Anrechnung von PiAAuszubildenden auf die Fachkraft-Kind-Relation aus. Hinsichtlich der Vergütung von Auszubildenden in der PiA muss gemeinsam mit den Städten und Kommunen sichergestellt werden, dass die Träger den geforderten Eigenanteil an der Vergütung dauerhaft finanzieren können. Dabei fordern wir eine bessere Landesbezuschussung. Die Kita muss nach Abschluss ein attraktiver Arbeitsplatz mit fairen Rahmenbedingungen sein und das bedeutet: weniger befristete Arbeitsverträge, tarifliche Vereinbarungen bei allen Trägern, Entlastung bei nicht-pädagogischen Arbeiten durch zusätzliches Personal und gute berufliche Perspektiven. In der Kindertagespflege fordern wir eine bessere Bezahlung, um diesen Beruf attraktiver zu machen.

Damit Hochschulabsolventinnen in der Kita verbleiben, braucht es ihrer Ausbildung entsprechende Funktionen und eine mit anderen Bereichen konkurrenzfähige Bezahlung. Aufgaben wie Sprachförderung, Kooperation mit Grundschulen, Elternarbeit oder Qualitätssicherung könnten zum Kern von Stellen für Fachkräfte mit Hochschulabschluss werden. Auch erfahrene Erzieherinnen brauchen mehr Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, wenn sie an die Kita gebunden oder reaktiviert werden sollen. Ein Anknüpfungspunkt sind z.B. Zulagen für die Anleitung von Auszubildenden. Leitungsfunktionen sollten weiterhin beruflichen wie akademischen Karrierewegen offen stehen.

Lehrkräfte: Der Schlüssel zu gutem Unterricht ist die Lehrkraft. Um den ständig wachsenden Aufgabenprofilen der Schulen gerecht zu werden, muss die Unterrichtsversorgung dauerhaft gesichert sein. Wir verfolgen daher einen Stufenplan
mit ambitionierten Zielen, wie einem Versorgungsgrad jeder Schule von 106 Prozent und einer landesweiten Krankheitsreserve mit mindestens 2.000 Lehrkräften. Zusätzlich notwendig sind ein höheres Entlastungskontingent, dauerhafte Sprachförderstrukturen und die flächendeckende Umsetzung des Zwei-PädagogenPrinzips in der Inklusion. In der Personalplanung berücksichtigt werden müssen auch neue Vorhaben, wie der Ausbau der rhythmisierten Ganztagsschule, des Ethik- und staatlichen Islamunterrichts sowie der Angebote in den Herkunftssprachen der Schüler*innen.

Multiprofessionelle Teams: Die Aufgaben der Schulen gehen weit über das hinaus, was Lehrkräfte fachlich und zeitlich leisten können. Wir wollen daher andere, zusätzliche Fachkräfte in den Schulalltag integrieren und zu einem festen Bestandteil der Schulteams machen. Die Erweiterung kann je nach Bedarf in unterschiedlichen Bereichen erfolgen wie beispielsweise Verwaltung, Schulsozialarbeit, Berufsberatung, Ernährungswissenschaft, Ergo-, Physio- und Psychotherapie oder IT-Administration. Bei der Zusammenstellung der Schulteams sollen die Schulleitungen mehr Eigenständigkeit und Flexibilität erhalten. Der Quereinstieg in den Lehrberuf muss im beruflichen Schulwesen attraktiver werden.

Ressourcenverteilung nach Sozialindex und Kompetenzorientierung: Welches individuelle Angebot und welche besondere Unterstützung an einem Schulstandort gebraucht werden, hängt von der Schülerschaft ab. Bei der Verteilung von Ressourcen müssen Faktoren wie das soziale, ökonomische, und kulturelle Kapital der Schüler*innen berücksichtigt werden, ebenso wie Migrationsmerkmale, ihre Kompetenzen und Leistungen. Nur wenn den individuellen Bedarfen der Schülerschaft Rechnung getragen wird und die Schulen entsprechend ausgestattet werden, ist gute Bildungsarbeit durch starke Schulteams möglich.

Lernendes Kollegium: Die Anforderungen an die Lehrkräfte steigen und verändern sich stetig. Die Weiterbildung eines Schulteams ist deshalb Daueraufgabe. Wir fordern feste Strukturen zum kollegialen Austausch und einer entsprechenden Entlastung, um Weiterqualifizierung in den Schulalltag zu integrieren. Punktuelle Maßnahmen von zentralen Fortbildungseinrichtungen allein reichen nicht aus, vor allem wenn schulspezifische Herausforderungen besprochen und Konzepte entwickelt werden müssen. Schule wollen wir als Ganzes im Sinne einer lernenden Organisation denken und auch als solche fortbilden. Es müssen ausreichend Fort- und Weiterbildungsmittel zur Verfügung gestellt werden, damit Lehrkräfte sich weiterentwickeln können.

Leitungen: Egal ob in Kita oder Schulen, die Leitung prägt das Profil der Einrichtung sowie das Team und dessen Weiterentwicklung. Die besten Kandidat*innen lassen sich nur für diese Aufgabe gewinnen, wenn Leitungsstellen attraktiv sind. Wir setzen uns für eine angemessene Bezahlung ein, damit sich das Mehr an Verantwortung und Arbeit finanziell lohnt. Es braucht jedoch auch feste Leitungszeiten und echten Gestaltungsspielraum z.B. durch eigene Budgets und mehr Eigenverantwortung bei Personalentscheidungen. Wir fordern von der Landesregierung, dass Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes in Baden-Württemberg für die Leitungsfreistellung in Kitas eingesetzt werden.

Mitarbeiterinnen an Hochschulen: Für gute Arbeit an Hochschulen müssen sich die Arbeitsbedingungen dort verbessern. Vor diesem Hintergrund möchten wir befristete Stellen weiter verringern, die Anzahl der Professuren mit Tenure Track (d.h. Verfahren für Nachwuchswissenschaftler, nach Bewährungszeit und Evaluation zur Festanstellung als Professorin auf Lebenszeit zu gelangen) ausweiten und die Honorare der Lehrbeauftragten an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg erhöhen.

Wir bekennen uns zum Prinzip der Gruppenhochschule. Daher werden wir weiterhin die Partei sein, die sich für mehr studentische Mitbestimmung und eine rege Demokratisierung der Hochschulen stark macht. Das von der grün-schwarzen Landesregierung abgeschaffte allgemeinpolitische Mandat für Verfasste Studierendenschaften wollen wir wieder einführen. Die Einflussmöglichkeiten von Studierendenvertretern, aber auch des akademischen Mittelbaus wollen wir weiter stärken und zeitnah nach verfassungsmäßigen Wegen suchen, die Abschaffung der professoralen Mehrheit mit der Wissenschaftsfreiheit zu vereinen. Der Hochschulrat, in dem vor allem externe Personen aus Unternehmen sitzen, soll in seiner Macht beschränkt werden. Vor allem seine Kompetenzen über das Budget der Hochschule gehören in unseren Augen in die Hände des Senats. Eine Prorektoratsstelle für Studierendenangelegenheiten soll im Landeshochschulgesetz verankert werden. Die/der Prorektor*in soll die Interessen der Studierendenschaft im Rektorat vertreten und für eine verbesserte Kommunikation zwischen Hochschulverwaltung und Studierendenschaft sorgen.

  1. Moderne Lernorte werden zur Zukunftswerkstatt

Digitale Ausstattung und Bildung 4.0: Sollen Schüler*innen die Zukunft in den Blick nehmen, brauchen Schulen eine angemessene digitale Ausstattung. Die Multimediaempfehlungen des Landes sind dahingehend zu aktualisieren und müssen
– ebenso wie flächendeckendes, stabiles WLAN – Standard an allen Schulen werden. Über den Digitalpakt des Bundes (2019-23) hinaus müssen Gelder für die Wartung und Instandhaltung der Hardware an Schulen vorhanden sein. Es ist Aufgabe des Staates, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, um eine weitere Kommerzialisierung und Ökonomisierung des Bildungswesens zu verhindern.

Digitalisierung und Medienbildung sollen sowohl in den Schulcurricula als auch in den Bereichen Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte fest verankert werden. Moderne Bildungsprozesse müssen angepasst werden. Es reicht nicht aus, Bildung zu digitalisieren. Wenn dieser Paradigmenwechsel gelingt, werden digitale Medien einen großen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit leisten und den pädagogischen Handlungsspielraum positiv erweitern. Mit E-Books, Lern-Apps, Lernvideos und Webinaren ist es zum Beispiel möglich, schon junge Menschen an den digitalen Alltag heranzuführen.

Eine digitale Lernplattform wird dringend benötigt. Damit werden die Kommunikation zwischen Schüler*innen, Lehrkräften und Eltern ermöglicht sowie der Austausch und die gemeinsame Bearbeitung von Materialien erleichtert. Wir schlagen darüber hinaus die Einrichtung eines Innovationsfonds vor, damit Schulen mit neuen Technologien experimentieren und eigene Projekte auf die Beine stellen können beispielsweise im Bereich der Virtual oder Augmented Reality oder 3D-Druck.

Uns ist bewusst, dass die Digitalisierung neben Chancen auch Risiken birgt. Diese müssen wir wirkungsvoll minimieren. Der Schutz personenbezogener und schulischer Daten muss vor der Nutzung von Geräten und Clouds sichergestellt sein. Eine Verarbeitung dieser Daten muss transparent sein und darf grundsätzlich nur mit der freiwilligen und informierten Einwilligung erfolgen.

Schulbau: Angesicht des landesweit milliardenschweren Sanierungsstaus brauchen die Schulträger Unterstützung bei der Modernisierung ihrer Schulgebäude. Gute Bildung braucht auch ein motivierendes Lernumfeld, in dem sich die Schüler*innen und Lehrkräfte wohl fühlen und gut arbeiten können. Aus unserer Sicht muss ein zusätzlicher Fördertatbestand Sanierung und Modernisierung in die Schulbaurichtlinie aufgenommen werden.

Hochschulen und Wohnheime: Auch der Sanierungsstau an den Hochschulen muss dringend abgebaut werden. Zu guten Rahmenbedingungen im Studium gehören allerdings auch ausreichend Wohnraumplätze und Mobilität. Wir fordern mehr Wohnheimplätze, was unter anderem durch eine Erhöhung des Landeszuschusses um
4.000 Euro pro Bettplatz gelingen kann. Zusätzlich braucht es Freiräume für Studierende, die ihnen ein eigenverantwortliches Leben und Arbeiten sowie gesellschaftliches Beisammensein ermöglichen. Bei Neubauten von universitären Gebäuden wollen wir Rückzugsmöglichkeiten für Studierende grundsätzlich berücksichtigen. Diese müssen jederzeit und ohne unverhältnismäßige bürokratische Hürden zugänglich sein.

  1. Bildung ohne (Alters-)Grenzen

Lebenslanges Lernen: Wichtiger Baustein für Lebenslanges Lernen ist das Bildungszeitgesetz, das offensiver beworben und vor Einschränkungen beispielsweise in der politischen Bildung geschützt werden muss. Mit der Einführung eines Weiterbildungsfonds wollen wir gezielt die Weiterbildung von Beschäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen fördern, die im Zuge der Digitalisierung notwendig ist.

Integration: Bildung ist der Schlüssel einer gelingenden Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt. Wichtig sind dabei insbesondere tragfähige Strukturen zur Sprachförderung in den Kitas, den Vorbereitungsklassen, nach Übergang in die Regelklassen und parallel zur Berufsausbildung bzw. dem Berufsalltag. Berufsabschlüsse müssen auch im Erwachsenenalter und ggf. neben der Erwerbstätigkeit noch nachgeholt bzw. dem deutschen Ausbildungsniveau angepasst werden können.

Grundbildung: Analphabetismus darf nicht länger ein Tabuthema sein und muss offen angegangen werden. Niedrigschwellige Angebote müssen überall im Land zugänglich sein, sowohl für Bürger*innen mit Deutsch als Muttersprache als auch Zweitsprache. Die Grundlage dafür ist eine angemessene Ausstattung der Weiterbildungsträger, insbesondere der Volkshochschulen, deren Förderung mindestens an den Bundesdurchschnitt angeglichen werden muss.

Außerschulische Bildung: Eine ganzheitliche Erziehung bezieht unbedingt auch außerschulische Akteure ein. In Zeiten politischer Polarisierung und nationalistischen Tendenzen muss die Internationale Jugendarbeit gestärkt werden und Austauschformate für mehr Zielgruppen zugänglich werden. Auch Angebote der politischen Bildung und zur Förderung kultureller Teilhabe sind wichtige Grundpfeiler der Demokratieförderung und sollten ausgebaut werden. Die Bildungsarbeit der Jugendverbände wollen wir weiterhin durch eine deutliche Erhöhung der Tagespauschalen fördern.

Politische Bildung: Ein besonderes Augenmerk wollen wir auf die politische Bildung in Baden-Württemberg legen. Deshalb stärken wir die Landeszentrale für politische Bildung. Im Bereich der schulischen Bildung wollen wir das Fach Gemeinschaftskund stärken und fordern, dass es an allen weiterführenden Schulen zweistündig unterrichtet werden muss. In der gymnasialen Oberstufe der Gemeinschaftsschule wollen wir künftig die Wahl eines gleichwertigen gesellschaftswissenschaftlichen Schwerpunktes neben den bestehenden sprachlichen und naturwissenschaftlichen Schwerpunkten einführen. Politische Fortbildungsmöglichkeiten im Rahmen des Bildungszeitgesetzes wollen wir weiter ermöglichen und so lebenslange Demokratiebildung ermöglichen.

Gute Bildung gibt es nicht zum Nulltarif. Doch eins ist klar: Jeder Euro, den wir für die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen ausgeben, ist sinnvoll investiert. Teilhabe und Zukunftschancen dürfen niemals unter Finanzvorbehalt stehen – das gilt auch für die Zeit nach der Kita, Schule und Ausbildung. Im Schulterschluss zwischen Bund, Land und Kommunen müssen wir nachhaltige Strukturen schaffen, um vor Ort für alle Alters- und Zielgruppen das bestmögliche Förderangebot vorzuhalten. Eine starke Demokratie braucht mündige Bürger*innen und genau dazu ist Bildung der Schlüssel.

Beschlossen beim Kleinen Landesparteitags am 06.07.2019 in Pforzheim