Dr. Nils Schmid – Meine Position zur Corona-Impfpflicht (25.03.2022)

4. April 2022

Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,

vielen Dank für Ihre Zuschrift zum Thema Impfpflicht! Die
zahlreichen Briefe, Mails und sonstigen Nachrichten zeigen
mir, dass das Thema viele Menschen sehr bewegt, vor allem
wenn man einer Impfung kritisch gegenübersteht.
Ich versichere Ihnen: Genauso sehr bewegt es auch mich und ich
nehme Ihre Sorgen ernst.

Ich habe mich lange und intensiv informiert, mich mit vielen
Menschen aus unterschiedlichen Blickwinkeln ausgetauscht,
bevor ich mir eine Meinung gebildet und mich für einen
Gesetzentwurf entschieden habe. Das gilt auch für die gesamte
SPD-Bundestagsfraktion, die beispielsweise Expertenhearings
mit Mitgliedern des Ethikrats sowie Verfassungs- und Datenschützern
einberufen hat, um nur einige wenige herauszugreifen.

Wir haben uns auch als Parlament für die Debatte Zeit genommen,
was manche kritisiert haben, ich jedoch für wichtig halte.
Zudem möchte ich betonen, dass in dieser Frage keine
Fraktionsdisziplin erwartet wird – im Gegenteil, von den
derzeit fünf vorliegenden Gesetzentwürfen und Anträgen zum
Thema werden mehrere parteiübergreifend unterstützt. Das ist
übrigens auch der Grund, weshalb Bundeskanzler Scholz und
Gesundheitsminister Lauterbach die Entscheidung in die Hände
der Abgeordneten gelegt haben, anstatt einen Regierungsentwurf vorzulegen.
Ich finde, das wird der Bedeutung der Entscheidung gerecht und
zeugt von Respekt gegenüber dem Parlament.

Ich habe mich nach sorgfältiger Abwägung entschlossen, einer
allgemeinen Impfpflicht gegen SARS-CoV2 ab Volljährigkeit
zuzustimmen. Den Gesetzentwurf (Bundestags-Drucksache
20/899) finden Sie hier:

Deutscher Bundestag Drucksache 20/899 – Gesetzentwurf der Abgeordneten Heike Baehrens, Dr. Janosch Dahmen, Katrin Helling-Plahr, Dagmar Schmidt (Wetzlar), Dr. Till Steffen, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Dirk Wiese und weiterer Abgeordneter – Entwurf eines Gesetzes zur Aufklärung, Beratung und Impfung aller Volljährigen gegen SARS-CoV-2 (SARSCoVImpfG)

Schrecken Sie nicht davor zurück diesen anzuschauen.
Die Einführung ist lesbar und kein Paragrafendschungel.
Dort werden wichtige Aspekte aufgeführt.

Gleichwohl antworte ich auch mit diesem Brief auf die vielen
Zuschriften, die mich erreicht haben. Die darin geäußerten
Argumente sind vielfältig. Ich bitte um Verständnis, dass ich
nicht auf alle Fragen individuell und ausführlich antworten
kann. Die häufigsten Bedenken, Einwände und Fragen möchte
ich im Folgenden jedoch aufgreifen.

Vorab jedoch etwas Grundsätzliches: Viele Schreiben haben
gemein, dass sie auf die Freiheitsrechte des Einzelnen sowie auf
den Schutz der körperlichen Unversehrtheit verweisen. Das
sind in der Tat gewichtige Rechte, die wir als Gesetzgeber allein
schon deshalb sehr ernst nehmen, weil sonst das Bundesverfassungsgericht
einschreiten würde. Ich erhalte aber auch viele
Zuschriften von Menschen, die zum Beispiel aufgrund von
Erkrankungen nicht geimpft werden können oder aus anderen
Gründen besonders schutzbedürftig vor dem Coronavirus sind.
Auch sie erwarten zurecht, dass die Politik ihre Freiheits- und
Schutzrechte ernstnimmt und wahrt. Deshalb ist es kein einfaches
Für oder Wider, wie es manche absichtsvoll zuspitzen,
sondern ein verantwortungsvolles Abwägen zwischen den
Interessen Einzelner, aber auch dem größten Nutzen für die
Gesellschaft als Ganzer. Ich gestehe jedem zu, der sich sachlich
und seriös damit befasst, dass er bei dieser Abwägung zu einem
anderen Ergebnis kommt. Das nehme ich im Gegenzug aber
auch für mich in Anspruch; böswillige Unterstellungen sind
keine Grundlage für einen respektvollen Meinungsaustausch.

Wozu überhaupt impfen?

In einem sind sich fast alle einig: Die Corona-Pandemie hat
fürchterliche und kaum absehbare Folgen für so ziemlich alle
Lebensbereiche: In erster Linie für die an Covid-19 Erkrankten
und Verstorbenen sowie deren Angehörige. Aber auch für das
Gesundheitswesen, die Bildung, das Familienleben, die Wirtschaft,
die Kultur und vieles, vieles mehr. Alle diese Themen sind in den
letzten zwei Jahren bei mir persönlich angekommen,
meistens durch ganz konkrete Fälle aus meinem Wahlkreis.
Deshalb will ich unmissverständlich klarstellen:
Keine Entscheidung, die wir im Bundestag seither getroffen
haben, haben wir leichtfertig getroffen. Unser Ziel war und ist,
die Menschen unseres Landes bestmöglich zu schützen und
gleichzeitig ein Maximum an Freiheit aufrecht zu erhalten, bis
die Pandemie überwunden ist.

Es hat sich schnell gezeigt – und die überwältigende Mehrheit
aller Experten auf diesem Gebiet ist sich darin einig -, dass die
flächendeckende Impfung der erfolgversprechendste Weg aus
dem Jammertal ist. Die mutwillige „Durchseuchung“ ist hingegen
ein Irrweg, der viele Opfer hinterlässt.1 Es ist daher geradezu absurd,
wenn die gleichen Leute, die gegen die Infektionsschutzmaßnahmen
wie Maskenpflicht, Kontaktbegrenzung oder Lockdowns demonstrieren,
auch gegen die Schutzimpfung wettern. Wer Freiheit will, muss
Verantwortung übernehmen und solidarisch handeln.

Wovor schützt eine Corona-Impfung?

Die Corona-Pandemie hat uns noch immer fest im Griff. Dabei
haben wir bereits Mittel und Wege, die uns einen Ausweg aus
der Pandemie bieten: Impfen schützt Leben und schützt vor
schweren Krankheitsverläufen. Damit trägt es dazu bei, die
Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern und die
Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Ich möchte deutlich
betonen, dass eine Impfung eben nicht nur Ihr persönliches
Risiko als Einzelperson verringert, weil sie vor schweren
Verläufen schützt. Vielmehr schützen Sie die Menschen mit,
die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen
können.

Weil dies oft zu Unrecht unterstellt wird:
Weder die Bundesregierung, noch das Robert-Koch-Institut (RKI)
haben je behauptet, dass man durch eine Corona-Schutzimpfung zu 100
Prozent geschützt sei, noch dass man dadurch das Virus nicht
mehr übertragen könne. Das heißt im Umkehrschluss aber
nicht, dass das Impfen wirkungslos wäre. Sowohl das Risiko
andere anzustecken, als auch das Risiko schwer zu erkranken,
ist bei vollständig Geimpften (plus einmaliger Auffrischung)
deutlich geringer. An diesem Befund ändern auch Impfdurchbrüche
und die Omikron-Variante grundsätzlich nichts.

Bisher wurde versucht, die benötigte Impfquote zur Eindämmung
der Pandemie über freiwillige Maßnahmen zu erreichen.
Die so erzielte Impfquote der Gesamtbevölkerung reicht aber
nicht aus, um eine Überlastung zu verhindern. Deshalb
befürworte ich jetzt die Impfpflicht.

Ist eine Impfpflicht jetzt überhaupt noch notwendig?

Ja, denn die Impfpflicht zielt weniger auf die aktuelle Lage,
sondern dient der Vorbeugung einer weiteren schweren Welle
im kommenden Herbst und Winter. Wir wollen nicht erneut
Lockdowns und weitere Einschränkungen sehenden Auges
riskieren. Wegen der starken Ausbreitung der OmikronVariante
wird manchmal behauptet, dass eine Impfung gegen
Corona aufgrund der meist milderen Verläufe nicht mehr so
wichtig sei. Dennoch kann es weiterhin zu schweren Verläufen
kommen, ebenso zu chronischen Folgebeschwerden (Long
Covid), auch bei milden Verläufen. Bisherige Studien ergeben
laut RKI, dass die Wirksamkeit der Impfung gegenüber Omikron
im Laufe der Zeit zwar nachlässt, ein guter Schutz gegenüber
Omikron aber durch Auffrischungsimpfungen erzielt werden
kann.2 Wir wissen nicht, wie sich das Coronavirus weiterentwickelt
und welche mögliche Wirkung künftige Mutationen
haben. Experten warnen, dass auch eine parallele Weiterentwicklung
bzw. Rückkehr der Delta-Variante möglich ist.
Insgesamt ist die Schutzwirkung der Impfung gegen einen
schweren Corona-Krankheitsverlauf weiterhin sehr hoch. Das
ist entscheidend.

Warum warten wir nicht ab, wie sich die Infektionslage
entwickelt?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es im Herbst zu einer erneuten
Infektionswelle kommt, deren Folgen für das Gesundheitssystem es abzumildern gilt.
Die Pandemie hat bereits gewaltige gesundheitliche, soziale und ökonomische
Folgekosten verursacht. Dies darf nicht noch einmal geschehen.
Die Situation wird dabei umso gravierender werden und Eingriffe erfordern,
je ansteckender und gefährlicher die Virusvariante und je größer die
Immunitätslücken sind. Die aktuelle Impfquote von
etwa 75 Prozent ist deutlich zu gering. Eine allgemeine
Impfpflicht bietet nachhaltigen Schutz für das Gesundheitssystem.
Die Vorbereitungen sind jedoch nicht im Handumdrehen zu schaffen,
sondern erfordern eine Vorlaufzeit – Experten rechnen mit etwa vier Monaten.
Deshalb lehne ich auch den Gesetzentwurf von CDU und CSU ab, weil er im
Ernstfall nicht schnell genug greifen würde.

Werden die Nebenwirkungen ausreichend berücksichtigt?

Selbstverständlich! Dass es Impfreaktionen und auch Nebenwirkungen gibt,
ist unbestritten. Ich habe daher durchaus Verständnis, dass sich Menschen
Sorgen wegen möglicher Impffolgen machen.
Es geht letzten Endes aber um eine einfache Abwägung:
Trage ich das geringe Risiko von Impfnebenwirkungen
oder nehme ich das ungleich größere Risiko in Kauf
an Covid-19 zu erkranken, Langzeitfolgen ertragen zu müssen
und im schlimmsten Fall sogar daran zu sterben? Die Zahlen
und Fakten sprechen hier eine deutliche Sprache: Covid-19 ist
sehr viel gefährlicher als eine Schutzimpfung. Die Basis hierfür
sind gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die öffentlich
von jedermann einsehbar und nachvollziehbar sind – und nicht
dubiose Behauptungen in YouTube-Videos oder TelegramKanälen.

Weil in vielen Schreiben ausdrücklich auf Herzmuskelentzündungen
(Myokarditis) hingewiesen wird, greife ich dieses Beispiel gerne auf:
Ja, diese gibt es. Bei drei von 100.000 Impflingen tritt diese
laut aktueller Studien auf; allerdings auch
bei elf von 100.000 Covid-19-Erkrankten! *3

Um die Sicherheit bei der Corona-Schutzimpfung zu gewährleisten,
beobachtet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Deutschland seit Beginn
der Impfkampagne fortlaufend alle gemeldeten Verdachtsfälle von
Nebenwirkungen beziehungsweise Impfkomplikationen und
berichtet über die Ergebnisse der im zeitlichen Zusammenhang
mit der Impfung gemeldeten Nebenwirkungen in seinen Sicherheitsberichten.
Werden unbekannte Risiken identifiziert, reagieren die Expertinnen und Experten
umgehend und empfehlen Maßnahmen, die, wenn nötig, bis
zum Aussetzen des Impfstoffs reichen können.

In manchen Kanälen wird verbreitet, Ärzte würden Nebenwirkungen
nicht melden, weil sie Sorge vor Haftungsansprüchen hätten.
Das ist Unsinn! Jeder Arzt weiß, dass bei Corona-Impfschäden
der deutsche Staat haftet. Stattdessen würde ein Arzt,
der einen Verdacht auf einen Impfschaden nicht an das
Paul-Ehrlich-Institut meldet, gegen geltendes Gesetz verstoßen
und eine empfindliche Geldbuße (bis zu 25.000 €) riskieren.

Wie soll eine Impfpflicht vor Überlastung der Kliniken
schützen?

Kliniken sind durch Corona gleich in mehrfacher Weise
herausgefordert: Zum einen sind schwere Verläufe von Covid19
extrem behandlungsintensiv. Sie benötigen viel Personal,
das aus Gründen der Ansteckungsgefahr großteils auch nicht
parallel in anderen Bereichen eingesetzt werden kann. Zum
anderen sind auch Klinikangestellte von Infektionen betroffen
und fallen aus. Der ohnehin vorhandene Mangel an Pflegekräften
verschärft sich dadurch. Die so entstandene Zusatzbelastung
für die anderen Mitarbeiter erhöht die Arbeitsbelastung
– psychisch und körperlich – enorm. Viele Pflegekräfte, Ärzte
und sonstiges medizinisches Personal haben sich wegen dieser
Extrembelastung nach anderen Berufen umgesehen und gekündigt.

Teilweise wurde behauptet, dass während der Coronakrise ein
Abbau von Intensivbetten stattgefunden habe. Tatsache ist, dass
der akute Personalengpass durch Corona dazu geführt hat, dass
Intensivbetten nicht mehr betrieben werden konnten.

Weitere Folge der Überlastung ist unter anderem, dass
„normale“ Stationen (vorübergehend) geschlossen und die
Behandlung anderer Patienten, soweit es sich nicht um akut
lebensbedrohliche Notfälle handelt, verschoben werden
müssen. Deshalb geht es bei der Corona-Schutzimpfung auch
nicht nur um das eigene Risiko oder um andere Covid-19-
Patienten. Es geht also auch um die angemessene Behandlung
anderer Patienten, die durch die Pandemie beeinträchtigt wird.
Dabei sprechen wir durchaus auch von schwerwiegenden
Krankheiten wie zum Beispiel Krebsbehandlungen. „Nicht akut
lebensbedrohlich“ bedeutet nicht, dass sie harmlos wären.

Richtig ist, dass der Personalmangel nicht nur auf Corona
zurückzuführen ist. Die Bundesregierung hat hier aber schon
vor dem Ausbruch der Pandemie Gegenmaßnahmen ergriffen,
die jedoch nicht kurzfristig wirken konnten. Es steht auch außer
Frage, dass Reformen im Gesundheitswesen dringend notwendig sind,
insbesondere in Fragen von Bezahlung, Arbeitsbelastung und
Arbeitszeiten des medizinischen Personals an Krankenhäusern.
Wer das jedoch als Argument gegen Impfungen ins Feld führt,
handelt meines Erachtens zynisch, denn die großen Corona-Impflücken
verschärfen die Misere massiv! Nicht zufällig spricht sich die Deutsche
Krankenhausgesellschaft deshalb für eine allgemeine Impfpflicht aus.

Warum wollen Sie nun doch eine Impfpflicht, obwohl Sie das
in der Vergangenheit ausgeschlossen haben?

Es stimmt, Bürgerinnen und Bürgern, die sich bei der Zulassung
der ersten Corona-Impfstoffe vor etwas mehr als einem Jahr vor
einer Schutzimpfung fürchteten, habe ich geantwortet, dass die
SPD eine Impfpflicht ausschließe. Tatsächlich konnte ich mir
zu diesem Zeitpunkt, an dem in Deutschland schon tausende
Menschen schutzlos an Corona verstorben waren, nicht vorstellen,
dass fast ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland
die Möglichkeit nicht ergreifen würde, sich und andere vor
diesem tödlichen Virus zu schützen. Ehrlich gesagt ist mir bis
heute unverständlich, wie man die Chancen, die sich durch
eine weitgehend geimpfte Bevölkerung ergeben würden, so
geringschätzt. In vielen Ländern der Erde wäre man froh, man
würde über ausreichend Impfstoff verfügen. (Die Bundesregierung
unterstützt diese übrigens mit erheblichem Aufwand, weil die Pandemie
letztlich nur global dauerhaft unter Kontrolle gebracht werden kann.)

Was wir vor einem Jahr zudem nicht wussten, ist die größere
Ansteckungsgefahr durch Mutationen, die eine größere Zahl an
Geimpften erfordert. Zwar ist die Zahl der Impfskeptiker insgesamt gering,
aber zusammen mit denjenigen, die sich aus
Gleichgültigkeit oder anderen Gründen nicht um eine Impfung
bemühen, eben doch so groß, dass der notwendige Gesamtschutz,
um das Virus in Schach zu halten, nicht erreicht wird.
Deshalb ist der Staat jetzt gefordert, zum Wohle der gesamten
Gesellschaft zu handeln.

Ist die Impfpflicht verfassungskonform?

Manche von Ihnen haben mir Stellungnahmen zugeschickt, in
denen u.a. zahlreiche Rechtsanwälte und -wissenschaftler
verfassungsrechtliche Bedenken anmelden. Das ist legitim, da die
Impfpflicht einen starken Eingriff in die Persönlichkeitsrechte
darstellt. Bei ca. 165.000 zugelassenen Anwälten in Deutschland
wird man viele verschiedene Ansichten dazu finden.
Selbstverständlich haben auch wir unsere Rechtsexperten von
Anfang an einbezogen und gebeten darauf zu achten, dass die
Impfpflicht verfassungskonform ausgestaltet wird.

In einem demokratischen Rechtsstaat mit funktionierender
Gewaltenteilung kann jedes Gesetz auf den Prüfstand gestellt
werden. Das ist nicht außergewöhnlich. Deshalb gehe ich davon
aus, dass auch das „Gesetz zur Aufklärung, Beratung und
Impfung aller Volljährigen gegen SARS-CoV-2“ letzten Endes
vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden wird. Ich bin
davon überzeugt, dass das Gesetz verfassungsgemäß ist.

Es muss zudem auch deutlich gesagt werden, dass die CoronaPandemie
bereits weitreichende Grundrechtseingriffe und Freiheitsbeschränkungen
(zum Beispiel Ausgangssperren, Gefährdung des Rechts auf Bildung durch
Schulschließungen, Einschränkung der Versammlungsfreiheit) notwendig gemacht hat.
Deshalb sage ich:

Die Impfpflicht ist der Weg aus der Pandemie!

In diesem Zusammenhang möchte ich abschließend betonen,
dass ich alle Äußerungen, die anklingen lassen, wir würden in
einer Diktatur leben, entschieden zurückweise. Wir erleben
doch ganz im Gegenteil, dass in den Medien – auch den
öffentlich-rechtlichen – auch über Minderheitsmeinungen
berichtet und debattiert wird. Das ist auch gut und richtig. Wir
erleben nicht nur, dass Demonstrationen gegen die staatlichen
Corona-Maßnahmen stattfinden dürfen, sondern dass die
Behörden die Auflagen, die für alle Demonstrationen gelten,
teilweise sogar sehr großzügig auslegen, um Konfrontationen
und Eskalationen zu vermeiden.

Niemand muss bei uns riskieren ins Gefängnis zu kommen, weil
er oder sie eine bestimmte Meinung vertritt. Es gibt auch keine
Zensur. Es gibt aber auch keinen Anspruch darauf, dass eine
unabhängige Redaktion, egal ob Fernsehen oder Zeitung, jede
noch so absurde Behauptung oder nicht überprüfbare
Schilderung verbreiten muss.
Auch das ist Bestandteil der Meinungsund Pressefreiheit.

Als außenpolitischer Sprecher bin ich immer wieder mit Fällen
in verschiedenen, autokratischen Ländern befasst, in denen
Menschen ohne triftigen Grund und ohne faires Verfahren
aufgrund kritischer Meinungsäußerungen zu jahrelangen
Gefängnisstrafen verurteilt oder schlicht verschleppt werden.
Wer die Situation in Deutschland damit auf eine Stufe stellt, nur
weil seine eigene Meinung keine Mehrheit in den Parlamenten
findet, weiß offensichtlich den Wert unserer Demokratie nicht
im Ansatz zu schätzen. Hier wünsche ich mir eine hinterfragende
Haltung auch zu manchem, was in sozialen Medien
verbreitet wird, und einen kritischen Blick auf die politischen
Hintermänner von Protestaktionen, denen es oft gar nicht um
Corona-Maßnahmen oder Impfungen geht.

Mit freundlichen Grüßen, Nils Schmid


*3 = Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung;
Interview in: Esslinger Zeitung vom 5.2.2022